Harald Kroll:

Hubert weiss zur Freiburger Go Geschichte sicher mehr als ich, der war ja eher da. Auch Klaus, Kurt, Henry, Georg, Maggy, Hardy oder Umberto und Giorgio haben die Zeit ja miterlebt.

Ich?- na ich war nach einem halben Jahr 9k, bevor ich wußte, daß es Go Turniere oder eine Go Zeitung gibt. Immer habe ich mir gegen Walter W. Semeais reindrücken oder mich von Hubert betrügen lassen, aber eines Tages habe ich in der Freiburger Unibibliothek einen Schatz gefunden:

Bruno Rüger und ein Kapitel daraus: "Der Kampf um den Vorgabestein am Rande." Ohne Diagramme, noch mit K10, L 11 nachlegen und so. Kaum hatte ich das gemacht, konnte ich meine erste 9 Steine Partie gegen WW gewinnen und bin mit auf das erste Go Turnier nach Konstanz gefahren. Es sollten danach noch viele folgen, mehr als 160 Turniere, viele Menschen, viele Länder und viele Städte habe ich so in den letzten Jahren besucht, wirklich eine tolle reichhaltige Erfahrung.

Ach ja, Hannes war damals 1988 schon (süddeutscher:)) 1d, eines Tages haben wir ihn besucht, wirklich beeindruckend, wie er seinen echten Affensprung in seinem Zimmer vorgemacht hat...

Ich habe als 5k dann mal einen Volkshochschulkurs angeboten, ach ja eine lustige Zeit, aber das ist schon so lange her...na ja für mich war natürlich schicksalhaft, als ich mit Walter eines Tages im Freiburger Stadtpark gesessen bin und plötzlich Hideo Nara, ein Zahnarzt aus Tokyo neben uns stehen geblieben ist und uns ernst bei unserem Gegurke zugeguckt hat.

Ich war dann 4k und was mich schwer beeindruckt hat, war, daß es ein halbes Jahr gedauert hat, bis man merken konnte, wieviel stärker er war, so unaufdringlich und geduldig war er, ganz anders als Walter, der auch nie viel geredet hat, sich aber immer diebisch gefreut hat, wenn er mich reinlegen konnte.

Da waren wir schon 8 oder 9 Turnierfahrer, Hideo ist mit uns auf eine Reihe von GoTurnieren gefahren, und ein paar Monate später ist er dann nach Japan zurückgefahren. Er sagte, daß er ein neues Auto kaufen will und daß ich das doch ein halbes Jahr bei mir in die Garage stellen und dann exportieren soll. Ich sollte ein Drittel von dem Steuerunterschied, der damals ziemlich groß war, bekommen und damit eine Japanreise machen, ja, diese Reise, das war schon ein Traum, der mich nachhaltig motiviert hat...

Hideo ist auch heute noch ein Schüler von Chizu Kobayashi, und so war ich froh, daß ich später einmal als 1K die Gelegenheit hatte, gegen sie in Frankfurt eine Partie zu spielen. Daß ich damals mit 5 Steinen gewonnen habe, kann trotz Zufall keiner gewesen sein, denn es war ja mein Geburtstag.

Auch ein Koreaner so um die Dreissig war später immer im Capri, leider habe ich seinen Namen vergessen, ich weiß nur noch, daß er enorm viele Bierflaschen in seiner Studentenwohnung gehortet und gequalmt hat, wie ein Schlot. War aber cool, überlegt und witzig auf seine Art.

Irgendwann bin ich dann zum Japanischstudium aus Freiburg weg gegangen, aber ich erinnere mich immer wieder gerne an die Zeit in der schönen Stadt bei den netten Leuten...ein Jahr später war ich dann Japanischstudent, eine weiteres Jahr später war ich tatsächlich in Japan mit einem Stipendium vom DAAD und heute bin ich Kaufmann und Dolmetscher für Japanisch und mein halbes Jurastudium vermisse ich nicht mehr.

Dieses Auto, einen Audi, hat Hideo zwar nie gekauft, aber ich habe stattdessen ein halbes Jahr neben dem Haus seiner Eltern wohnen können, mitten in Tokyo. Deutschunterricht, Sushi und danach im Shusaku Club in Shinjuku mit den alten Leuten Go gespielt und gequatscht über die alten Vorkriegszeiten.

Zur besten Zeit waren wir in Freiburg -glaube ich- so um die dreissig Leute, und da habe ich gelernt, wie wichtig jeder einzelne Mensch für das Goleben einer Stadt ist. Und wie wichtig es ist, daß diese Menschen einen gemütlichen Platz haben, wo sie sich -am besten jeden Tag- miteinander treffen können. Wo man Freund werden kann, indem man Bretter miteinander teilen lernt...Tja. schon merkwürdig was?



[Bemerkung: die vollständigen Namen der erwähnten Personen sind uns bekannt]